Die Deutsche Lufthansa AG ist mehr als nur eine Fluggesellschaft; sie ist ein nationales Symbol. Der Kranich auf der Heckflosse steht weltweit für deutsche Ingenieurskunst und Zuverlässigkeit. Doch in den letzten Jahren glich die Eigentümerstruktur des Konzerns eher einer Achterbahnfahrt als einem ruhigen Gleitflug.
Nach der existenziellen Krise während der Corona-Pandemie, die den Einstieg des deutschen Staates als Rettungsanker notwendig machte, hat sich das Bild heute wieder gewandelt. Die Lufthansa ist vollständig reprivatisiert. Doch wer hat jetzt das Sagen im Cockpit? Die Antwort ist eine Mischung aus einem der reichsten Deutschen, globalen Vermögensverwaltern und einer breiten Basis an Kleinanlegern.
Das Wichtigste in Kürze
- Rückzug des Staates: Der deutsche Staat, der während der Corona-Krise 2020 mit 20 Prozent eingestiegen war (Wirtschaftsstabilisierungsfonds), hat seine Anteile bis September 2022 vollständig und mit Gewinn verkauft; die Lufthansa ist wieder zu 100 % privat.
- Der neue Ankeraktionär: Der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne (Kühne+Nagel) hat sich in kurzer Zeit zum mit Abstand größten Einzelaktionär (ca. 17–18 %) hochgekauft und übt strategischen Einfluss aus.
- Europäische Kontrolle: Um Verkehrsrechte zu sichern, muss die Lufthansa nachweisen, dass die Mehrheit der Aktien in europäischen Händen liegt, was durch vinkulierte Namensaktien überwacht wird.
Das Kapitel Staatshilfe: Ein profitabler Abschied
Um die aktuelle Struktur zu verstehen, muss man kurz zurückblicken. Im Jahr 2020 stand die Lufthansa am Boden. Der Flugverkehr war weltweit fast zum Erliegen gekommen. Um eine Insolvenz zu verhindern, schnürte die Bundesregierung ein Rettungspaket von 9 Milliarden Euro. Im Gegenzug erhielt der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) eine Beteiligung von 20 Prozent am Unternehmen.
Diese „Verstaatlichung auf Zeit“ wurde von vielen Marktbeobachtern kritisch gesehen. Doch das Management um Carsten Spohr sanierte den Konzern schneller als erwartet. Bereits im September 2022 verkaufte der Staat sein letztes Aktienpaket.
Das Fazit der Rettung: Der Steuerzahler hat nicht draufgezahlt, sondern profitiert. Der Staat erzielte durch den Verkauf der Aktien einen Gewinn von rund 760 Millionen Euro. Die Lufthansa ist seitdem wieder eine rein privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft (AG).
Klaus-Michael Kühne: Der Logistik-Milliardär im Hintergrund
Die wohl wichtigste Veränderung der Post-Corona-Ära ist der Aufstieg von Klaus-Michael Kühne. Der Hamburger Unternehmer, Mehrheitseigner des Logistikriesen Kühne+Nagel und Investor beim HSV, nutzte den Ausstieg des Staates, um massiv Lufthansa-Aktien zu kaufen.
Über seine Kühne Aviation GmbH hält er (Stand 2024/2025) rund 17 bis 18 Prozent der Anteile. Damit ist er der unangefochtene Großaktionär.
- Seine Motive: Kühne ist kein reiner Finanzinvestor, der auf schnelle Kursgewinne hofft. Sein Interesse ist strategisch. Die Lufthansa Cargo ist einer der wichtigsten Player in der Luftfracht – ein Feld, das perfekt zu seinem Logistikimperium passt.
- Sein Einfluss: Kühne gilt als unbequemer Partner. Er äußert sich öffentlich zur Strategie und fordert Mitsprache (z. B. bei Aufsichtsratsposten). Seine Präsenz schützt die Lufthansa vor anderen Übernahmen, setzt das Management aber auch unter Leistungsdruck.
Die institutionellen Investoren: BlackRock & Co.
Hinter Kühne folgt mit großem Abstand der „übliche Verdächtige“ der deutschen Unternehmenslandschaft. Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hält Anteile im Bereich von 3 bis 4 Prozent.
Dahinter reiht sich eine Vielzahl internationaler Fondsgesellschaften und Banken ein (z. B. DWS, Amundi), die meist Anteile zwischen 1 und 3 Prozent halten. Diese Investoren agieren in der Regel passiv, solange die Rendite stimmt, achten jedoch zunehmend auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Für eine Airline, die CO2-intensiv wirtschaftet, ist das Verhältnis zu diesen Investoren ein ständiger Balanceakt.
Der Streubesitz und die „Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz“
Ein großer Teil der Lufthansa-Aktien (über 70 %, wenn man Kühne herausrechnet) befindet sich im Streubesitz (Free Float). Darunter sind viele Privatanleger und Mitarbeiter des Konzerns.
Eine Besonderheit der Lufthansa-Aktie ist ihre Form: Es sind vinkulierte Namensaktien. Das hat einen luftfahrtrechtlichen Grund. Um in vielen Ländern (insbesondere auf Routen in die USA oder nach Asien) Landerechte zu erhalten, muss eine Fluggesellschaft nachweisen, dass sie mehrheitlich „in nationaler Hand“ oder zumindest in EU-Hand ist.
Wäre die Lufthansa mehrheitlich im Besitz von z. B. chinesischen oder arabischen Investoren, würde sie ihre Verkehrsrechte als „deutsche Airline“ verlieren. Die Vinkulierung erlaubt es der Lufthansa theoretisch, den Kauf von Aktien durch Nicht-EU-Bürger zu verweigern, wenn die Schwelle von 50 % gefährdet wäre. Aktuell liegt der Anteil deutscher und europäischer Aktionäre jedoch stabil im sicheren Bereich.
Konzernstruktur: Wem gehören Swiss und Austrian?
Wenn man fragt „Wem gehört Lufthansa?“, fragt man eigentlich „Wem gehört die Lufthansa Group?“. Denn die Lufthansa AG ist die Muttergesellschaft eines riesigen europäischen Luftfahrtverbunds.
Wer eine Lufthansa-Aktie kauft, wird Miteigentümer von:
- SWISS (Schweiz)
- Austrian Airlines (Österreich)
- Brussels Airlines (Belgien)
- Eurowings (Billigflugsegment)
- Lufthansa Cargo (Fracht)
- Lufthansa Technik (Wartung, Weltmarktführer in diesem Segment)
Die Aktionäre in Deutschland (und Herr Kühne) besitzen also faktisch die nationale Luftfahrt-Infrastruktur von drei europäischen Ländern.
Fazit: Stabilisiert durch einen Hanseaten
Die Eigentümerstruktur der Lufthansa ist heute stabiler als vor der Krise. Mit Klaus-Michael Kühne gibt es einen starken Ankeraktionär, der langfristiges Interesse am Unternehmen hat und feindliche Übernahmen unwahrscheinlich macht. Der Staat hat sich erfolgreich zurückgezogen, behält aber über regulatorische Rahmenbedingungen (und die Wichtigkeit der kritischen Infrastruktur) natürlich immer ein wachsames Auge auf den Kranich. Für Anleger ist die Lufthansa wieder ein normales Markt-Investment – mit einem milliardenschweren Logistiker als Co-Piloten.
